Krankheit, Fortbildung, die Begleitung einer Klassenfahrt: Neben dem allgemeinen Lehrkräftemangel kommt im schulischen Alltag eine Vielzahl von Gründen hinzu, warum Unterricht immer wieder ersatzlos ausfällt. In Nordrhein-Westfalen waren laut Bildungsministerium im vergangenen Schuljahr 4,5 Prozent der geplanten Unterrichtsstunden betroffen. Susanne Welling will wenigstens einen Teil dieser wertvollen Zeit nicht mehr ungenutzt verstreichen lassen. Die Lehrerin an der Gesamtschule Emschertal in Duisburg holt sich dafür seit eineinhalb Jahren Unterstützung von der Berliner Bildungsinitiative LifeTeachUs.
Schnell und unkompliziert vermittelt der gemeinnützige Verein sogenannte LifeLessons. In 45-minütigen Unterrichtseinheiten erzählen LifeTeacherinnen und -Teacher von ihrem Beruf oder von persönlichen Lebenserfahrungen und stellen sich den Fragen der Kinder. Wer sein Wissen gerne mit jungen Menschen teilt, ist in der Bildungsorganisation genau richtig. Die berufliche Bandbreite reicht vom Handwerker bis zum Manager, von der Ärztin bis zur Köchin in Ausbildung.
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Wie stehen Sie zu diesem Thema? Wie ist die Situation bei Ihnen an der Schule und welche Erfahrungen haben Sie im Schulalltag gemacht? Erzählen Sie uns davon.
Spontan fragen, spontan kommen
„Gestolpert über das kostenlose Angebot bin ich bei Instagram“, berichtet Welling, die Spanisch, Erdkunde und Darstellen und Gestalten unterrichtet. Seither habe sie schon mehrere LifeTeacherinnen und -Teacher in ihren Unterricht geholt. Der Prozess ist kinderleicht: Über eine App können Lehrkräfte eine Anfrage stellen. Die Ehrenamtlichen entscheiden, ob sie die Stunde übernehmen wollen.
Einige von ihnen kommen persönlich in die Schule, andere schalten sich online ins Klassenzimmer. Wenn eine Kollegin oder ein Kollege plötzlich erkrankt, hole sie sich schon mal kurzfristig auf diese Weise Hilfe, erklärt Welling. Häufiger nutze sie das Wissen der Gastlehrkräfte aber, wenn sie in anderen Klassen Vertretungsstunden vorbereite. „Statt mit den Kindern Rechtschreibung zu üben, finde ich es viel gewinnbringender, wenn eine Person aus der Praxis etwas von ihrem Wissen und ihrer Erfahrung weitergibt“, so die Lehrerin. „Viele Kinder, die bei uns an der Schule sind, verlassen ihre Bubble nur selten. So gesehen wird eine Fehlstunde auch zu einer Chance.“
Mathe, Deutsch, Geschichte – alles wichtig. Doch Schülerinnen und Schüler finden auch anderen Unterricht spannend. Etwa, wenn jemand, der mitten im Leben steht, von seinen Erfahrungen berichtet. Foto: © LifeTeachUs
„Das sind Dinge, die erzählt den Kindern ja sonst niemand.“
Susanne Welling, Lehrerin an der Gesamtschule Emschertal in Duisburg
Geschichten aus dem echten Leben
Einmal gab ein LifeTeacher sein Know-how zum Thema Stadtentwicklung in Südamerika zum Besten, er selbst hatte lange in einer südamerikanischen Großstadt gelebt. „Die Schülerinnen und Schüler waren wahnsinnig begeistert von seinen Alltagserzählungen und haben gar nicht mehr aufgehört, ihn auszufragen“, erinnert sich die Lehrerin. In diesem Fall sei ihre Anfrage an LifeTeachUs sehr spezifisch gewesen. Wer aber kurzfristig Unterstützung brauche, sei gut damit beraten, die Anfrage offener zu formulieren. Welling hat die Erfahrung gemacht, dass die Kinder vor allem an Persönlichkeiten und ihren Lebensgeschichten interessiert sind. Ein LifeTeacher aus dem Vertrieb verriet etwa, dass er zu Beginn seiner Karriere zunächst Wein am Telefon verkauft habe. „Das sind Dinge, die erzählt den Kindern ja sonst niemand.“
Genau das hatten die Vereinsgründer Ludwig Thiede und Simon Bründl im Kopf, als sie LifeTeachUs aufbauten. Möglichst viele Schülerinnen und Schüler sollen vom Lebenswissen der Vortragenden profitieren und so besser auf ihr Leben nach der Schule vorbereitet werden. Finanziert wird das Social Start-up über Spenden, öffentliche Gelder und über Bildungspartnerschaften mit Unternehmen. Die LifeTeacherinnen und -Teacher selbst arbeiten unentgeltlich. 2025 konnten bereits 220 Schulen in Deutschland Unterrichtsausfälle mit praxisnahen LifeLessons kompensieren. Derzeit sind 12.500 geprüfte und zertifizierte Ehrenamtliche für die gemeinnützige Bildungsorganisation im Einsatz, laufend kommen neue hinzu. In der App werden aber nur jene Personen freigeschaltet, deren Thema einen Mehrwert für den Unterricht darstellt und die ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.
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Tolles Angebot, noch wenig genutzt
Eine Lösung: LifeTeachUs. Die Bildungsinitiative hat viele Menschen unterschiedlicher Fachrichtungen in petto, die Schulen auch spontan buchen können, wenn sie Unterrichtsersatz brauchen. Foto: © LifeTeachUs
Susanne Welling lässt Unterricht nur ungern ersatzlos ausfallen. Eher engagiert die Lehrerin eine LifeTeacherin oder einen LifeTeacher, die an ihren reichen Erfahrungen teilhaben lassen.
Foto: ©Susanne Welling