Alternative Unterrichtseinheiten

Jede Fehlstunde eine Chance

Den Unterrichtsausfall zu einer sinnvollen Bildungs­erfahrung machen? Eine Duisburger Gesamtschule berichtet über ihre Er­fahrungen mit der Bildungs­organisation LifeTeachUs.

Teilnehmen, mitmachen, lernen – doch was, wenn der Unterricht häufig ausfällt? Viele Schulen wissen darauf keine gute Antwort, da das Personal überall knapp ist. Foto: © Wübben Stiftung Bildung/Katharina Werle

Krankheit, Fortbildung, die Begleitung einer Klassenfahrt: Neben dem all­gemei­nen Lehrkräftemangel kommt im schu­lischen Alltag eine Vielzahl von Gründen hinzu, wa­rum Unterricht immer wieder ersatzlos ausfällt. In Nord­rhein-Westfalen waren laut Bildungsminis­terium im ver­gangenen Schuljahr 4,5 Prozent der ge­planten Unter­richts­stunden betroffen. Susanne Welling will wenig­stens einen Teil dieser wertvollen Zeit nicht mehr unge­nutzt verstreichen lassen. Die Lehrerin an der Gesamt­schule Emschertal in Duisburg holt sich dafür seit ein­einhalb Jahren Unter­stützung von der Berliner Bildungs­initiative LifeTeachUs.

Schnell und unkompliziert vermit­telt der gemeinnützige Verein sogenannte Life­Lessons. In 45-minütigen Unter­richtsein­heiten erzählen LifeTeacher­innen und -Teacher von ihrem Beruf oder von persön­lichen Lebenserfah­rungen und stellen sich den Fragen der Kinder. Wer sein Wissen gerne mit jungen Menschen teilt, ist in der Bil­dungsorganisation genau richtig. Die berufliche Band­breite reicht vom Hand­werker bis zum Manager, von der Ärztin bis zur Köchin in Aus­bildung.

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Spontan fragen, spontan kommen

„Gestolpert über das kostenlose An­gebot bin ich bei In­stagram“, berichtet Welling, die Spanisch, Erdkunde und Darstellen und Gestalten unter­richtet. Seither habe sie schon mehrere Life­Teacherinnen und -Teacher in ihren Unterricht geholt. Der Prozess ist kin­derleicht: Über eine App können Lehr­kräfte eine Anfrage stellen. Die Ehren­amtlichen entscheiden, ob sie die Stun­de übernehmen wollen.

Einige von ihnen kommen persönlich in die Schule, andere schalten sich online ins Klassenzimmer. Wenn eine Kolle­gin oder ein Kollege plötzlich erkrankt, hole sie sich schon mal kurzfristig auf diese Weise Hilfe, erklärt Welling. Häufiger nutze sie das Wissen der Gastlehr­kräfte aber, wenn sie in anderen Klas­sen Vertretungs­stun­den vorbereite. „Statt mit den Kindern Rechtschrei­bung zu üben, finde ich es viel gewinn­bringender, wenn eine Person aus der Praxis etwas von ihrem Wissen und ihrer Erfahrung weitergibt“, so die Lehrerin. „Viele Kinder, die bei uns an der Schule sind, verlassen ihre Bubble nur selten. So gesehen wird eine Fehlstunde auch zu einer Chance.“

Häufig spielt die Zeit gegen einen, denn Unterrichts­ausfall ist krankheits­bedingt immer kurzfristig. Geplante Ausfälle lassen sich besser kompensieren. Foto: © Wübben Stiftung Bil­dung/Alexander Scheuber

Mathe, Deutsch, Geschichte – alles wichtig. Doch Schülerinnen und Schüler finden auch anderen Unterricht spannend. Etwa, wenn jemand, der mitten im Leben steht, von seinen Erfahrungen berichtet. Foto: © LifeTeachUs

„Das sind Dinge, die erzählt den Kindern ja sonst niemand.“

Pilotin oder Pilot – für viele Mädchen und Jungen ein Traumberuf. Was muss man dafür können? Wie sieht der Job in Wirklichkeit aus? Ein LifeTeacher berichtete von seinem Beruf. Foto: © LifeTeachUs

Geschichten aus dem echten Leben

Einmal gab ein LifeTeacher sein Know-how zum Thema Stadtentwicklung in Süd­amerika zum Besten, er selbst hatte lange in einer südamerikanischen Groß­stadt ge­lebt. „Die Schüler­innen und Schüler waren wahnsinnig be­geistert von seinen Alltags­erzählungen und haben gar nicht mehr aufgehört, ihn auszufragen“, erinnert sich die Lehrerin. In diesem Fall sei ihre Anfrage an LifeTeachUs sehr spe­zifisch gewe­sen. Wer aber kurzfristig Unter­stützung brau­che, sei gut damit beraten, die An­frage offener zu formu­lieren. Welling hat die Erfah­rung ge­macht, dass die Kinder vor allem an Persönlich­keiten und ihren Lebensgeschichten inte­ressiert sind. Ein Life­Teacher aus dem Vertrieb verriet etwa, dass er zu Beginn seiner Karriere zunächst Wein am Te­lefon verkauft habe. „Das sind Dinge, die erzählt den Kindern ja sonst niemand.“

Genau das hatten die Vereinsgründer Lud­wig Thiede und Simon Bründl im Kopf, als sie LifeTeachUs aufbauten. Mö­glichst viele Schülerinnen und Schü­ler sollen vom Le­benswissen der Vor­tragenden profi­tieren und so bes­ser auf ihr Leben nach der Schule vorbe­reitet werden. Fi­nanziert wird das Social Start-up über Spenden, öffent­liche Gelder und über Bildungspartner­schaften mit Un­ternehmen. Die Life­Teacherinnen und -Teacher selbst arbeiten unentgeltlich. 2025 konnten bereits 220 Schulen in Deutschland Unterrichtsaus­fälle mit praxisnahen Life­Lessons kompen­sieren. Derzeit sind 12.500 geprüfte und zertifizierte Ehren­amtliche für die gemein­nützige Bil­dungsorganisation im Einsatz, laufend kommen neue hinzu. In der App werden aber nur jene Personen freige­schaltet, deren Thema einen Mehrwert für den Unterricht darstellt und die ein polizei­liches Führungszeugnis vorlegen.

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Tolles Angebot, noch wenig genutzt

Im Ruhrgebiet wird die Initiative bisher eher wenig ge­nutzt, berichtet Welling. Die Gesamtschule Emschertal sei im Umkreis von 50 Kilometern die einzige, die Life­Teacherinnen und -Teacher ein­setzt. Die nächste ihr be­kannte Schule befinde sich in Dortmund. Auch an ihrer Einrichtung gebe es noch Berührungs­ängste, obwohl die Anmeldung schnell gemacht ist und das Einstellen der An­frage keine zwei Mi­nuten dauert. „Da muss ich einfach noch mehr Werbung machen“, lacht sie. „Wir brauchen en­gagierte Menschen um das System Schule herum, um nahbare Er­fahrungen für die Kinder zu ermöglichen. Das Schöne ist, dass man auch digital zu­sammenfinden kann. An eine Expertin oder einen Experten aus Bremen oder München käme ich ja sonst gar nicht heran.“

Eine Lösung: LifeTeachUs. Die Bildungs­ini­tiative hat viele Menschen unter­schiedlicher Fachrichtungen in petto, die Schulen auch spontan bu­chen können, wenn sie Unterrichts­ersatz brau­chen. Foto: © LifeTeachUs

Susanne Welling lässt Unterricht nur ungern ersatzlos ausfallen. Eher engagiert die Lehrerin eine LifeTeacherin oder einen LifeTeacher, die an ihren reichen Erfahrungen teilhaben lassen.
Foto: ©Susanne Welling

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