„Meinem Kollegium und mir fällt zunehmend auf, dass viele unserer Schülerinnen und Schüler keinen inneren Kompass haben, der ihnen sagt, was richtig und was falsch ist. Dass sie nicht reflektieren, wie sich ihr Handeln auf die Gemeinschaft auswirkt. Wir versuchen, angemessenes Verhalten vorzuleben, und erarbeiten verbindliche Regeln, doch das reicht nicht aus. Das macht uns zu schaffen.
Ein Beispiel: Mehrere Schülerinnen und Schüler kommen morgens regelmäßig zu spät zum Unterricht. Der pünktliche Bus sei immer so voll, deshalb nehme man eben den nächsten, hören wir dann. Verspätet zu erscheinen sei ihr gutes Recht. Dass dies aber den Unterricht stört und Mitschülerinnen und Mitschüler dadurch wertvolle Lernzeit verlieren, ist ihnen egal. Für viele zählt eher das Ich als das Wir. Darunter leidet die Klassengemein-
schaft.
Der intensive Internetkonsum macht es nicht besser. Wir bekommen mit, dass unsere Schülerinnen und Schüler über Social Media Verhaltensweisen vorgelebt bekommen, die so im echten Leben nicht funktionieren. Die vermeintlichen Vorbilder aus der Parallelwelt vermitteln unrealistische Bilder und Vorstellungen über das Leben in der Gemeinschaft. Das fängt bei der Kleidungswahl an und geht bis zum Umgang mit Konfliktsituationen. War das nun eine Beleidigung oder nicht? Wende ich mich damit an die Schulsozialarbeiterin, oder schlichte ich den Streit selbst? Nicht wenigen fehlt dafür das Gespür.
Dieses Problem gehen wir nun an, unter anderem mit dem Projekt ‚Die Klasse ist der Star‘. Dabei kommt der schulpsychologische Dienst in die Klassen, um in betreuten Gruppengesprächen gemeinsam mit den Kindern Konflikte aufzuarbeiten. Wir wollen aber auch das Gemeinschaftsgefühl stärken – etwa durch die Gründung einer Schülerfirma oder durch Angebote für die Mitarbeit in der Schülervertretung oder im Klassenrat. Wir stellen fest: Durch diese Partizipationsmöglichkeiten erleben sich die Kinder als Teil eines größeren Ganzen. Für viele ist das eine neue Erkenntnis.“

Birgit Schoel ist seit 17 Jahren Schulleiterin der Realschule Vogelsang in Solingen. Davor war sie zwölf Jahre als Lehrerin an einer Gesamtschule tätig.