Im Dezember 2024 wird das Gedicht „Der Verrat“ von Odin Wörmann veröffentlicht. Er reichte es zuvor beim Gedichtwettbewerb der Frankfurter Bibliothek ein.
Odin, du hast bis vor Kurzem als Schüler des Elisabeth-Lüders-Berufskollegs in Hamm im Rahmen des ChangeWriters-Projekts Tagebuch geschrieben und, davon inspiriert, auch eigene Gedichte. Im Dezember wird dein Gedicht „Der Verrat“ veröffentlicht, das du beim diesjährigen Gedichtwettbewerb der Frankfurter Bibliothek eingereicht hast. Wie war es, als du davon erfahren hast?
Worum geht es darin?
Deine Religionslehrerin Miriam Wacker führte nach einer Fortbildung bei den ChangeWriters das Tagebuchschreiben in eurer Ausbildungsvorbereitungsklasse ein. Was hat das verändert?
Woran lag das?
Wörmann: Sie hatte eine sehr positive Ausstrahlung und gab uns von Anfang an das Gefühl, dass sie wirklich für uns da ist und uns nicht nur irgendwie durch die Schulzeit bringen will. Sie war schon die vierte Religionslehrerin im Laufe eines Schuljahres. Doch bei ihr wusste ich schnell, dass ich sie jederzeit ansprechen kann, sollte ich mal Hilfe brauchen. Sie war es auch, die mich ermutigte, mein Gedicht einzureichen.
Was hat dir ihre Unterstützung bedeutet?
Was hat sich in deinem Leben verändert, seit du autobiografisch schreibst und Gedichte verfasst?
Wörmann: Seit ich schreibe, geht es mir psychisch besser. Ich fühle mich freier und kann anderen mehr vertrauen. Gefühle, über die ich normalerweise niemals ein Wort verloren hätte, konnte ich beim Tagebuchschreiben und später in meinen Gedichten rauslassen. Durch all das habe ich mich selbst besser kennengelernt.
Welcher Impuls ist dir in besonderer Erinnerung geblieben?
Wörmann: In einer Schulstunde zeigte uns Frau Wacker ein Bild, auf dem verschiedene Personen zu sehen waren. Wir sollten uns mit einer von ihnen identifizieren und dann etwas dazu schreiben. Ich wählte eine Person, die jemandem hinterherlief. Ich hatte lange Zeit Probleme damit, Menschen gehen zu lassen, und bin ihnen aus Verlustangst hinterhergelaufen. Nachdem ich darüber in meinem Tagebuch schrieb, konnte ich viel besser verstehen, warum ich mich so fühlte. Mir ist es im Laufe der Zeit immer wichtiger geworden, anderen zu zeigen, was Schreiben in einem selbst verändern kann.
Auf welche Weise gibst du deine Erfahrungen weiter?
Wörmann: Durch die Unterstützung von Frau Wacker konnte ich neulich als Teamer am Sommercamp der ChangeWriters teilnehmen. Dort habe ich erzählt, was das Tagebuchschreiben mit mir gemacht hat, und habe versucht, es den Schülerinnen und Schülern näherzubringen. Es war sehr berührend, ihre Geschichten zu hören und zu sehen, wie Schreiben verbindet und auf welche Weise es ermöglicht, das rauszulassen, worüber man sonst nicht sprechen kann.
Ende des Jahres wird nicht nur dein Gedicht im Jahrbuch der Brentano-Gesellschaft veröffentlicht, dir wurde auch ein einjähriges Fernstudium im „Literarischen Schreiben“ an der Cornelia-Goethe-Akademie angeboten. Wie sind deine Pläne?
Wörmann: Auch wenn ich wollte, dass mein Gedicht veröffentlicht wird, so soll das Schreiben eine Sache für mich bleiben. Das Studium an der Cornelia-Goethe-Akademie möchte ich nicht antreten, sondern lieber weiter in meiner Freizeit schreiben. Seit Kurzem mache ich eine praxisintegrierte Ausbildung zum Erzieher an meiner alten Schule. Ich wollte schon immer etwas Soziales machen, eine Arbeit, bei der ich Menschen helfen kann. Danach will ich entweder Sozialpädagogik oder soziale Arbeit studieren. Das Schreiben will ich bestenfalls in meinen Beruf einbinden.
Welche Ideen hast du da?
Wörmann: Wenn ich mit meiner Ausbildung fertig bin, kann ich mir gut vorstellen, Kindern und Jugendlichen die ChangeWriters–Methode näherzubringen. Ich würde gern weitergeben, welche Kraft das Schreiben haben kann und wie es mir geholfen hat.
Worin besteht diese Kraft?
Wörmann: Schreiben kann die Laune heben und die Persönlichkeit verändern. Früher fiel es mir schwer, mit neuen Leuten in Kontakt zu kommen. Inzwischen gehe ich auf andere zu, kann mich besser verständigen, und ich trage nicht mehr so viel Traurigkeit in mir. Das alles hat das Schreiben möglich gemacht.
Über ChangeWriters e.V.
In Praxisseminaren vermittelt der Verein ChangeWriters e.V. Lehrkräften, wie sich das Tagebuchschreiben in den Unterricht integrieren lässt und welche weiteren Wege es für den gelingenden Beziehungsaufbau innerhalb des Klassenverbands gibt. Inspiriert vom Engagement der US-amerikanischen Lehrerin Erin Gruwell und den „Freedom Writers“, gründete Schulsozialarbeiter Jörg Knüfken 2014 den Verein in Deutschland. Inzwischen arbeiten bundesweit rund 110 Partnerschulen nach der ChangeWriters–Methode. Der Verein wird unter anderem von Aqtivator, der Schöpflin Stiftung und der Wübben Stiftung Bildung gefördert.
Eine Antwort
Wer von Euch hat auch schon Erfahrungen mit dem Tagebuchschreiben im Unterricht gemacht? Teil Eure Erfahrungen gerne mit uns.