„An unserer Schule haben etwa 85 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund. Sie sprechen 30 verschiedene Sprachen, und ihre Kompetenzen sind sehr unterschiedlich ausgeprägt: Manche sprechen fast gar kein Deutsch, obwohl sie bereits zwei Jahre in der Kita waren. Es gibt Kinder in der ersten Klasse, die schon bis zu einer Million rechnen können – gleichzeitig haben wir Viertklässlerinnen und -klässler, die den Schritt bis 20 nicht hinbekommen. Zudem leben etwa 80 Prozent der Familien in prekären Verhältnissen. Das alles führt dazu, dass Basiskompetenzen in den Bereichen Sprache, Kommunikation, Kognition sowie emotional-soziales Verhalten immer weniger vorhanden sind. Hoch problematisch ist auch der intensive Mediengebrauch vor Schuleintritt.
Zum Glück haben wir ein tolles Team mit viel Kompetenz, Sensibilität und der richtigen Haltung. Das Kollegium identifiziert sich mit der Schule, und die Arbeitszufriedenheit ist trotz der Belastung hoch. Zudem hilft der gebundene Ganztag mit seiner Rhythmisierung und mehr Stunden, die benannten Problemfelder anzupacken. Weil die starke Beziehungsarbeit zentral für Lernerfolge ist, haben wir möglichst wenig Personalwechsel in den Klassen. Stattdessen haben wir immer ein Klassenleitungsteam und – wo es geht – eine pädagogische Fachkraft, die im Nachmittagsbereich mit der Gruppe arbeitet, mit dabei. In den Lernzeiten im Ganztag versuchen wir, die Klassen zu teilen: Eine Hälfte geht zum Mittagessen, die andere wird intensiv gefördert, dann wird getauscht.
Derzeit diskutieren wir unter anderem über Möglichkeiten des jahrgangsübergreifenden Unterrichts. Wir erhoffen uns davon, jedes Kind noch individueller zu unterstützen. Gleichzeitig können sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig helfen. Die individuellen Bedarfe klaffen bei uns extrem auseinander. Um dem besser begegnen zu können, benötigen wir noch mehr Diagnosematerial und eine Prozessdiagnostik.
Was uns darüber hinaus noch helfen würde?
1. Mehr Personal:
Wir benötigen nicht nur mehr Lehrkräfte, sondern zusätzlich Kolleginnen und Kollegen im multiprofessionellen Team mit guter Qualifikation, etwa im Bereich Traumatisierung und Fluchterfahrung.
2. Mehr Vielfalt:
Hilfreich wäre, wenn noch weitere Menschen mit Migrationshintergrund bei uns arbeiten würden. Denn wenn diese die Sprache der Familien sprechen, können wir schneller Vertrauen zu ihnen aufbauen. Schließlich geht es ohne die Eltern nicht.
3. Mehr Zeit:
Es muss fest etablierte Zeiten geben, in denen wir uns als multiprofessionelles Team austauschen können.
Insgesamt würde ich mir auch eine andere Sichtweise auf Lernerfolge wünschen. Bei Vergleichsarbeiten wie etwa VERA geht es oft darum, den Notenschnitt zu erhöhen. An unseren Schulen bewerten wir Erfolgserlebnisse jedoch ganz anders – der Lernerfolg ist für uns relativ.“

Ulrike Schmidt-Hansen leitet seit 24 Jahren die Schule am Heidenberger Teich in Kiel-Mettenhof.
Umfrage „Schule im Brennpunkt 2025“
Mit welchen Herausforderungen haben Schulen, die in sozialen Brennpunkten liegen, zu kämpfen, und was ist das Spezifische an ihnen? Antworten darauf liefert die Befragung „Schule im Brennpunkt 2025“, die das Ziel hat, die Situation an Schulen im Brennpunkt systematisch sowie länder- und schulstufenübergreifend zu erfassen. Die Ergebnisse basieren auf den Einschätzungen von insgesamt 226 Schulleitungen aus Grundschulen und weiterführenden Schulen in vier deutschen Bundesländern. Durchgeführt wurde die Befragung vom impaktlab, der wissenschaftlichen Einheit der Wübben Stiftung Bildung.
In der Serie „Schule im Brennpunkt 2025” geben fünf Schulleitungen ihre Einschätzungen zu den folgenden zentralen Bereichen der Umfrage: Lernvoraussetzungen, Arbeitsbelastung, Lehrpläne und Lehrwerke, Elternarbeit und Startchancen-Programm.
Zu den Beiträgen der Serie „Schule im Brennpunkt 2025“:
Umfrage
„Schule im Brennpunkt 2025“: Wo die Herausforderungen am größten sind
Serie „Schule im Brennpunkt 2025“
„Wir brauchen eine Reform des Unterrichts“
Serie „Schule im Brennpunkt 2025“
„Starke Beziehungsarbeit ist zentral für Lernerfolge“
Serie „Schule im Brennpunkt 2025“
„Viel zu weit weg von der Lebenswelt der Mädchen und Jungen“
Serie „Schule im Brennpunkt 2025“
„Auch Klassenleitungen an Grundschulen brauchen Entlastungsstunden“
Serie „Schule im Brennpunkt 2025“