Serie „Schule im Brennpunkt 2025“

„Starke Beziehungsarbeit ist zentral für Lernerfolge“

An der Schule am Heidenberger Teich starten die Kinder mit sehr unter­schiedlichen Lernvoraussetzungen. Wie es dem Kollegium gelingt, sie individuell zu fördern.

„An unserer Schule haben etwa 85 Prozent der Kinder einen Migra­tions­hintergrund. Sie sprechen 30 ver­schiedene Sprachen, und ihre Kom­petenzen sind sehr unterschiedlich ausgeprägt: Manche sprechen fast gar kein Deutsch, obwohl sie bereits zwei Jahre in der Kita waren. Es gibt Kinder in der ersten Klasse, die schon bis zu einer Million rech­nen können – gleichzeitig haben wir Viertklässlerinnen und -klässler, die den Schritt bis 20 nicht hinbe­kommen. Zudem leben etwa 80 Pro­zent der Familien in prekären Ver­hältnissen. Das alles führt dazu, dass Basiskompetenzen in den Be­reichen Sprache, Kommunikation, Kognition sowie emotional-soziales Verhalten immer weniger vor­han­den sind. Hoch problematisch ist auch der intensive Mediengebrauch vor Schul­eintritt.

Zum Glück haben wir ein tolles Team mit viel Kom­petenz, Sensibilität und der richtigen Haltung. Das Kollegium identifiziert sich mit der Schule, und die Arbeits­zufriedenheit ist trotz der Belastung hoch. Zudem hilft der ge­bundene Ganztag mit seiner Rhyth­misierung und mehr Stunden, die benannten Problem­felder anzu­packen. Weil die starke Beziehungs­arbeit zentral für Lernerfolge ist, haben wir mög­lichst wenig Personal­wechsel in den Klassen. Stattdessen haben wir immer ein Klassen­leitungsteam und – wo es geht – eine pädagogische Fachkraft, die im Nachmittags­bereich mit der Gruppe arbeitet, mit dabei. In den Lernzeiten im Ganztag versuchen wir, die Klassen zu teilen: Eine Hälfte geht zum Mittagessen, die andere wird intensiv gefördert, dann wird getauscht.

Derzeit diskutieren wir unter anderem über Möglich­keiten des jahr­gangsübergreifenden Unter­richts. Wir erhoffen uns davon, jedes Kind noch individueller zu unter­stützen. Gleichzeitig können sich die Schü­ler­innen und Schüler gegen­seitig helfen. Die individuellen Be­darfe klaffen bei uns extrem aus­einander. Um dem besser begegnen zu können, benötigen wir noch mehr Diagnosematerial und eine Prozess­diagnostik.

Was uns darüber hinaus noch helfen würde?

1. Mehr Personal:
Wir benötigen nicht nur mehr Lehr­kräfte, sondern zusätzlich Kolleg­innen und Kollegen im multi­pro­fessionellen Team mit guter Quali­fikation, etwa im Bereich Trauma­tisierung und Fluchter­fahrung.

2. Mehr Vielfalt:
Hilfreich wäre, wenn noch weitere Menschen mit Migrationshintergrund bei uns arbeiten würden. Denn wenn diese die Sprache der Familien sprechen, können wir schneller Vertrauen zu ihnen aufbauen. Schließ­lich geht es ohne die Eltern nicht.

3. Mehr Zeit:
Es muss fest etablierte Zeiten ge­ben, in denen wir uns als multi­pro­fessionelles Team austauschen können.

Insgesamt würde ich mir auch eine andere Sichtweise auf Lernerfolge wünschen. Bei Vergleichsarbeiten wie etwa VERA geht es oft darum, den Notenschnitt zu erhöhen. An unseren Schulen bewerten wir Erfolgs­erlebnisse jedoch ganz anders – der Lernerfolg ist für uns relativ.“

Foto: © Urlike Schmidt-Hansen

Ulrike Schmidt-Hansen leitet seit 24 Jahren die Schule am Heidenberger Teich in Kiel-Mettenhof.

Umfrage „Schule im Brennpunkt 2025“

Mit welchen Herausforder­ungen haben Schulen, die in sozialen Brenn­punkten liegen, zu kämpfen, und was ist das Spezifische an ihnen? Antworten darauf liefert die Befragung „Schule im Brenn­punkt 2025“, die das Ziel hat, die Situation an Schulen im Brennpunkt sys­tematisch sowie länder- und schulstufe­nübergreifend zu erfassen. Die Ergebnisse basieren auf den Ein­schätzungen von insgesamt 226 Schulleitungen aus Grund­schulen und weiter­führenden Schulen in vier deutschen Bundesländern. Durchgeführt wurde die Befragung vom impaktlab, der wissenschaft­lichen Einheit der Wübben Stiftung Bildung.

In der Serie „Schule im Brenn­punkt 2025” geben fünf Schulleitungen ihre Ein­schätzungen zu den folgenden zentralen Bereichen der Umfrage: Lernvoraus­setzungen, Arbeitsbelastung, Lehrpläne und Lehrwerke, Eltern­arbeit und Startchancen-Programm.

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