„In Schleswig-Holstein ist in den Kitas die Vorbereitung auf die Schule nicht verpflichtend. Ein Vorschuljahr in den Schulen gibt es nicht. Das führt dazu, dass zwischen 80 und 90 Prozent der Kinder, die bei uns eingeschult werden, nicht ausreichend auf die Schule vorbereitet sind. Die Kinder scheuen dann oft anspruchsvolle Tätigkeiten, die später in der Schule nützlich sind – wie etwa den Stift richtig zu halten, den eigenen Namen zu schreiben, gut und sicher mit der Schere umzugehen. Unsere Brückenlehrkraft – sie ist die Schnittstelle zwischen Kita und Schule – bekommt in einigen Kitas mit, dass sie den Schulen nicht zuarbeiten möchten. Selbst gemeinsame Sitzungen zu diesem Thema helfen nicht.
Die Familien bei uns im Brennpunkt können diese fehlenden Fertigkeiten meist nicht auffangen. Erschwerend kommt hinzu, dass unsere Erstklässlerinnen und Erstklässler zu der Generation Kindern gehören, die während der Coronapandemie kaum den Kindergarten besuchen konnten. Sie haben in dieser Zeit vieles versäumt, das wichtig ist, um den Schulstart gut zu meistern.
Unsere Lehrkräfte in den ersten Klassen müssen deshalb viel Zeit für vorschulische Aufgaben aufwenden. Dazu gehören ganz basale Dinge: lange konzentriert auf dem Stuhl sitzen, den Anweisungen der Lehrerinnen und Lehrer folgen und vieles mehr. Wir haben nun die ersten Unterrichtswochen im neuen Schuljahr dafür reserviert, den Kindern das soziale Miteinander näherzubringen und sie mit Vorschulübungen auf den Unterricht vorzubereiten. Wir hoffen, damit einen Grundstein für konzentriertes Lernen legen zu können.
Was uns jedoch viel besser helfen würde, ist ein flächendeckendes, verpflichtendes Vorschuljahr in den Schulen. Hamburg etwa geht hier mit gutem Beispiel voran.“

Nicola Rahe ist seit 2010 Schulleiterin an der Schule Falkenfeld in Lübeck. Zuvor war sie 16 Jahre an einer Grundschule in Hamburg tätig, dort seit 2007 als kommissarische Schulleiterin.