Schul- und Unterrichtsentwicklung

Spielend leicht lernen

Das Hannah-Arendt-Gymnasium hat das Potenzial von Gesellschaftsspielen für sich entdeckt. Es sieht in ihnen einen Schlüssel zu vielen Basiskompetenzen.

„Wenn man genügend spielt, solange man klein ist, trägt man Schätze mit sich herum, aus denen man später sein ganzes Leben lang schöpfen kann.“ Diese Weisheit von Astrid Lindgren würde Melanie Hartl wohl unter­schreiben, ohne zu zögern. Denn die stellvertretende Schulleiterin des Hannah-Arendt-Gymnasiums in Krefeld hat eine Mission: Sie möchte Gesellschafts­spiele gezielt und lernförderlich in Schule und Unterricht einsetzen.

Die Erkenntnis, dass Spielen auch Schülerinnen und Schüler glücklich, gesund und schlau machen könnte, kam Hartl ausgerechnet im Sommerurlaub. Auf einem Berg beobachtete die Lehrerin das bunte Treiben auf einem Wasser­spielplatz. Kinder und Jugendliche hatten sich gemeinsam ein Ziel gesetzt: das Wasser zu einem großen Wasserfall aufzustauen. Gemeinsam gingen sie ans Werk, sprachen sich ab, arbeiteten und planschten zusammen. Das Alter spielte keine Rolle, Sechs- und 16-Jährige matschten im Team. Als der Wasserfall schließlich den Berg hinunterrauschte und sich alle glücklich abklatschten, dachte sich Hartl: „Das ist eine Überlegung wert! Möglicher­weise liegt im gemeinsamen Spiel ganz viel Potenzial für das Miteinander in Schule und Unterricht.“

Klassiker: Das Kartenspiel Uno kennen so ziemlich alle. Doch wird es nie langweilig, zwischendrin mal eine Runde zu spielen.

Melanie Hartl, stellvertretende Schulleiterin des Hannah-Arendt-Gymnasiums, hat das vielfältige Potenzial von Gesellschaftsspielen für ihre Schülerinnen und Schüler entdeckt.

Sich an Regeln halten, miteinander kommunizieren, gewinnen und verlieren können – all das lernt man anhand von Gesellschaftsspielen.
Analoge Alternative zu Social Media & Co.: Jana (l.) und Hannah haben Spaß an den gemeinsamen Spielepausen, bei denen das Miteinander im Fokus steht.

Von der Kreativität bis zum kritischen Denken

Wie so viele Lehrkräfte und Eltern beobachtet Hartl schon lange mit Unbehagen, dass Kinder und Jugendliche extrem viel Zeit in der digitalen Welt verbringen. Ohne Social Media und Co. zu verteufeln, möchte sie diesem Umstand insbesondere in der Erprobungs- und Mittel­stufe eine analoge Alternative entgegensetzen, die Kreativität und persönliche Kommunikation in den Mittelpunkt rückt. Gesellschaftsspiele sind es, die ihrer Meinung nach Werte und Fähigkeiten vermitteln, die für Schule und Beruf wichtig sind: Kreativität, Kolla­boration, Kommunikation und kritisches Denken. Um ihren Einsatz für das Brettspiel wissenschaftlich zu untermauern, vernetzte sich Hartl unter anderem mit dem Krefelder „Verein der Brettspiel-Verrückten“ sowie dem Berliner Institut für Ludologie. Auch die Laborschule Bielefeld, die Brettspielakademie, die „Initiative Schule und Spiel“ sowie der Spieleautor Uwe Rosenberg zählen zu ihren Beratern. Sie alle sehen das analoge Spiel „von Angesicht zu Angesicht“ nicht nur als Unterhaltung und Zeitvertreib, sondern als Vermittler von Wissen sowie von sozial-emotionalen, methodischen, kommuni­kativ-sprachlichen und fachlichen Kompetenzen an.
„Das spielend entdeckende Lernen fördert Eigenständigkeit und Eigeninitiative“, meint Hartl – ein Kontrapunkt also zum oft rein konsumierenden Daddeln auf dem Smartphone. Die Lehrerin ist überzeugt: Im Spiel erwerben Schüler­innen und Schüler Fähigkeiten wie Selbst­kontrolle, Frustrations­toleranz, Problem­lösungs­fähigkeiten oder stra­tegisches und taktisches Denken und stärken zugleich ihre Ausdrucksfähigkeit. Zusätzlich fördere das Spiel die Demokratie­fähigkeit. Denn wer spielt, tauscht sich mit anderen Menschen aus, lernt, Regeln zu akzeptieren und die vorhandenen Spielräume zu nutzen.

„Das spielend entdeckende Lernen fördert Eigenständigkeit und Eigeninitiative.“

Spiele, wohin das Auge reicht

Mehr und mehr entdecken die Lehrerinnen und Lehrer am Hannah-Arendt-Gymnasium, welche Möglichkeiten des fachlichen und überfachlichen Lernens den Schülerinnen und Schülern durch Gesellschaftsspiele eröffnet werden. Um Kolleginnen und Kollegen Anregungen zu liefern, hat Hartl gemeinsam mit ihrem Team im Netzwerk „Zukunftsschulen NRW“ eine Liste mit Spielen erstellt, die zu den verschiedenen Fächern passen (s. Infokasten), etwa das launige Wort-Ratespiel „Just One“ für Deutsch, „Anno Domini“ für Geschichte oder „Ghost Adventure“ für Physik. Im Selbst­lern­zentrum stapeln sich die Brett­spiele, auf einem der Tische wartet immer ein Schach­brett auf Spielerinnen und Spieler. Im Lehrer­zimmer sind verschiedene Gesellschaftsspiele wie „Team 3“, „Concept“ oder „Wizard“ bereits im Klassensatz vorhanden. Bezahlt wurden sie aus Mitteln der Schule, oder sie stammen aus Spenden des Projekts „Stadt-Land-Spielt!“.

Emma greift ins prall gefüllte Spieleregal. Hier finden alle Kinder und Jugendlichen, aber auch Lehrkräfte ihr favorisiertes Spiel.
Viele Spiele eignen sich ganz konkret für bestimmte Fächer. Ent­sprechend sind sie beschriftet, damit die Lehrkräfte nicht lange danach suchen müssen.
Am HAG gibt es viele Gelegenheiten, miteinander ins Spiel zu kommen. So etwa am Spielenachmittag oder in Pausen.
Die Spiele kommen bei verschiedensten Anlässen zum Einsatz. Ein Kollege, der selbst begeisterter Brettspieler ist, bietet Spielenachmittage an. Testweise beginnen diese schon in der letzten Schulstunde, der KST-Stunde (Kurs Soziales Training). Die Hoffnung: Wer mitten im Spiel ist, bleibt auch. In den Pausen ist die Nutzung geplant – frei nach dem Motto „(Pausen-)Brot und Spiele“. Auch im Unterricht setzen einzelne Kolleginnen und Kollegen Gesellschaftsspiele ein, etwa in den KST-Stunden zum Teambuilding, in Vertretungsstunden oder im Bereich Inklusion für die Kinder des gemein­samen Lernens. „Bei ihnen hat das Spielen einen tollen Effekt in Sachen Geduld und Konzentration, aber auch hinsichtlich des Erlebens des Gefühls von Selbst­wirksamkeit und Partizipation“, sagt Hartl. Den Einsatz der Brettspiele im Fach­unterricht möchte Hartl künftig noch strukturierter angehen. Beim jüngsten Pädagogischen Tag konnten sich zahl­reiche Kolleginnen und Kollegen dafür begeistern. Im nächsten Schritt möchte Hartl die Effekte des Brettspiels im unter­richtlichen wie auch außerunterrichtlichen Bereich messbar machen. Doch selbst wenn das nicht gelingen sollte, ist die Lehrerin überzeugt: „Dass Menschen miteinander an einem Tisch sitzen, sich in die Augen schauen, austauschen und Spaß haben, ist schon alleine ein Gewinn.“
Foto: © Vera Loitzsch

Melanie Hartl ist seit 25 Jahren Lehrerin. Seit 2024 ist sie stellvertretende Schulleiterin des Hannah-Arendt-Gymnasiums in Krefeld.

Eine Auswahl an Spielen von Melanie Hartl

Spiele zur Förderung fachlicher Kompetenzen

Deutsch

  • Codenames
  • Word Slam
  • Dixit
  • Concept
  • Tabu
  • Just One

Mathematik

  • Second Chance
  • Der Kartograph
  • Team 3
  • Project L
  • Pueblo

Physik

  • Menara 
  • Ghost Adventure 
  • Space Missions 
  • 1998 ISS 
  • SETI 
  • Schrödingers Katzen 
  • Cat in the Box 

Erdkunde

  • Länder toppen!
  • e-Mission
  • Agricola
  • Globalissimo
  • Barcelona
  • Zug um Zug

Biologie

  • Flügelschlag
  • Fauna
  • Über die Entstehung der Arten
  • Serengeti Sanctuary
  • Cascadia
  • Herbstlaub
  • Pandemie

Englisch

  • We’re doomed
  • Word Slam
  • Codenames
  • Dixit
  • Concept
  • The Same Game
  • Tolerance
  • Tabu Junior Englisch
  • Top Ten

Spiele für Klassenlehrerstunden

  • Fun Facts
  • Puzzle
  • Wahrheit und Lüge
  • Team 3

Spiele für Vertretungsstunden

  • That’s not a hat
  • Just One
  • Biss 20
  • Uno

Spiele zur Förderung von Inklusion

  • Heckmeck
  • Spicy
  • Belratti

Eine Antwort

  1. Seit eh und je sammeln Mensch und Tier im Spiel Erfahrungen, die später in der Bewältigung ihres Berufslebens bzw. auf der Jagd von großem Nutzen sind.
    Es ist nur konsequent, Spielmöglichkeiten in Schule zu schaffen.
    Achtung: Es könnte sein, dass die Schüler:innen Spaß haben (🤔 …ist ja auch gut so, denn mit Spaß lernt es sich leichter und ust nachhaltiger). So könnte Schule ein guter Ort sein/werden.

    Vielen Dank für diesen Beitrag, mögen noch viele Schulen das Spiel in ihr Angebot aufnehmen (natürlich nur freiwillig, sonst verliert das Spielen seinen Sinn).

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