Finanzbildung

„Für mich ist finanzielle Bildung eine Überlebensfähigkeit“

Fabian Schön, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, fordert Lehrpläne, die echte Lebenskompetenz vermitteln. Dazu gehören auch Finanzthemen. Ein Gespräch.

„Ich hab‘ keine Ahnung von Steuern oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtanalyse schreiben. In vier Sprachen“. So lautet ein viraler Tweet einer Schülerin, die damit die Lehrpläne an deutschen Schulen kritisierte. Was sagen Sie dazu?

Fabian Schön: Ich kenne diesen Tweet aus dem Jahr 2015, und er wird immer noch sehr häufig zitiert und diskutiert. Ich kann ebenfalls Gedichte in zwei Sprachen inter­pretieren – demnächst wohl auch noch in einer dritten. Aber sie hat schon Recht: Wie eine Steuer­erklärung funktioniert – oder andere finanzielle Themen – das kommt im Unterricht immer noch kaum vor.

Haben Sie mit Mitschülerinnen und Mitschülern über diesen Tweet gesprochen?

Schön: Über den konkreten Tweet vielleicht nicht direkt, aber das Thema kommt bei uns immer wieder auf. Zum Beispiel, wenn es um Minijobs geht, um den ersten eigenen Handyvertrag oder ein neues Konto, weil das Kinderkonto nicht mehr ausreicht. Als mein Kinderkonto bei der Sparkasse umgestellt werden musste auf andere Finanzprodukte, bin ich dort hin und wurde über einige Möglichkeiten informiert.

Foto: © Britta Ridderskamp
Fabian Schön (18) ist Schüler am Einstein-Gymnasium Neuenhagen bei Berlin und General­sekretär der Bundes­schüler­konferenz. In dieser Funktion engagiert er sich bundesweit für zeitgemäße Bildung. Insbesondere treibt er die flächen­deckende Einführung von Finanzkompetenz, digitaler Medienbildung und demokratischen Mit­bestimmungs-prozessen voran.

Kinderkonto – das richtet man ja nicht ohne seine Eltern ein. Bei Ihnen zu Hause wird über Finanzthemen gesprochen?

Schön: Eigentlich trifft die altbekannte Redewendung „Über Geld spricht man nicht“ ganz gut auf uns zu Hause zu. Aber über wichtige finanzielle Themen oder Fragen kann ich dann doch offen mit meinen Eltern reden. Und damit habe ich Glück: In vielen Haushalten spielt das Thema gar keine Rolle. Insbesondere diejenigen Kinder und Jugendlichen, die ohnehin schon benachteiligt sind durch die fehlende Bildung der Eltern oder Armut im eigenen Zuhause, haben dann überhaupt keine Ansprechpartner für Themen wie Finanzen. Aus diesem Grund können wir Finanzbildung unter keinen Umständen nur dem privaten Umfeld überlassen, sondern müssen sie in der Schule verpflichtend implementieren.

„Viele Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich heute nicht kompetent, Finanzthemen zu unterrichten“, sagt Fabian Schön. Es brauche gut ausgebildete Lehrkräfte.

Die Schule soll also diese Wissenslücke auffangen?

Schön: Wer zuhause nichts über Finanzen lernt, steht oft allein da. Daher müssen Schulen, vor allem jene im Brennpunkt, den Ausgleich schaffen, indem sie allen Kindern und Jugend­lichen dieselben Chancen bietet. Sie müssen mehr sein als ein Ort, an dem wir uns auf Prüfungen vorbereiten. Finanzkompetenz umfasst ja nicht nur Rechnen, sondern auch Ver­ständnis für den Staats­haushalt, für demokratische Prozesse. Wer diese Mechanismen nicht versteht, kann kaum aktiv am gesell­schaft­lichen Diskurs teilnehmen. Für mich ist finanzielle Bildung daher eine Überlebensfähigkeit – sie hilft, selbst­bewusst Entscheidungen zu treffen. Es so wichtig, dass man in der Schule, unabhängig vom Elternhaus, diese grundlegenden Dinge lernt.

Welche konkreten Inhalte fehlen denn aktuell im Schulunterricht?

Schön: Mir fehlen vor allem die Basics: Wer erklärt mir, wie das Steuersystem über­haupt aufgebaut ist? Warum zahle ich Mehrwertsteuer, und wofür wird das Geld ausgegeben? Wie erstelle ich einen realistischen Monatsplan? Ohne dieses Fundament fühlt man sich als junger Mensch beim ersten eigenen Gehalt doch ratlos. Auch Themen wie Sparen, Investieren oder Altersvorsorge gehören ins Klassenzimmer. Dieses Verständnis darf kein Privileg sein. Es muss alle erreichen, über die Schule.

Was genau fordert die Bundesschülerkonferenz, deren Generalsekretär Sie sind?

Schön: Durch den Bildungsföderalismus gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern. Unsere zentrale Forderung ist deshalb, finanzielle Bildung flächendeckend zu thematisieren und verbindlich in Lehrpläne aufzunehmen. Sie gehören dringend modernisiert, denn viele Inhalte sind heute nicht mehr wirklich relevant für das Alltagsleben. Digitale Themen und Medienkompetenz allgemein, aber eben auch finanzielle Bildung, gehören viel stärker in den Fokus.

Das on top zu unterrichten könnte die Lehrkräfte überlasten, oder nicht?

Natürlich braucht es auch gut aus­gebildete Lehrkräfte. Viele Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich heute nicht kompetent, solche Themen zu unterrichten. Außerdem sind die Stundenkontingente bereits ausge­lastet. Neue Inhalte erfordern Kompromisse im bestehenden Curriculum, das versteht sich von selbst.

Was sagt die Politik dazu?

Schön: In der letzten Legislaturperiode gab es tatsächlich einen Vorstoß vom Bundesfinanzministerium und dem Bildungsministerium – Christian Lindner und Bettina Stark-Watzinger haben gemeinsam eine nationale Finanz­bildungs­strategie auf den Weg gebracht. Nach dem Bruch der Regierung und den Neuwahlen wissen wir aktuell noch nicht, wo die Reise hingeht. Wir hoffen, dass die neue Regierung dort wieder anknüpft.

Laut Fabian Schön sollten nicht nur die klassischen Fächer auf dem Lehrplan stehen, sondern auch jene, die der finanziellen Bildung dienlich sind.

„Schule sollte mehr sein als ein Ort, an dem wir uns auf Prüfungen vorbereiten."

Es geht nicht nur ums reine Wissen: Wer sich mit Steuer- oder anderen Finanzthemen auskennt, hat bessere Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe.

Wie schaffen Schulen es, dass Finanzbildung wirklich alle Schülerinnen und Schüler erreicht – unabhängig von Schulform, Herkunft und Sprachkenntnissen?

Schön: Gerade aufgrund von Sprach­barrieren, die es in Schulen im Brennpunkt vermehrt gibt, sind niedrig­schwellige Formate und einfache Zugänge ganz wichtig. Planspiele oder Praxisübungen machen Finanzthemen zudem lebendig und erfahrbar. Statt trockener Theorie erlebt man direkt die Konsequenzen eigener Entscheidungen, was nachhaltiger im Gedächtnis bleibt und zum Lernen motiviert. Sicher bleibt es eine große Herausforderung, solche komplexen Themen Schülerinnen und Schülern näherzubringen, die damit kaum oder gar keine Berührungen hatten. Mit passendem Lehrmaterial, praxisorientierten Lehrmethoden und gut ausgebildeten Lehrkräften halte ich das aber für machbar.

Sie machen bald Abi. Was wünschen Sie zukünftigen Schülerinnen und Schülern?

Schön: Schule sollte mehr sein als ein Ort, an dem wir uns auf Prüfungen vorbereiten. Daher wünsche ich mir, dass sie eine Schule besuchen können, die sie unabhängig von Herkunft, Schulform oder Elternhaus mit dem Handwerkszeug ausstattet, das sie im Leben wirklich brauchen. Dazu gehören eben auch Steuerthemen und die Altersvorsorge. Dann steht nicht die Gedichtinterpretation im Mittelpunkt, sondern das, was uns später wirklich weiterbringt.

Über die Bundesschülerkonferenz

Die Bundesschülerkonferenz (BSK) ist das zentrale Gremium der Schülerinnen- und Schüler­vertretungen in Deutschland. In regelmäßigen Sitzungen und Arbeitsgruppen erarbeiten Delegierte aus allen Bundes­ländern gemeinsame Positionen zu bildungspolitischen Themen – von Digital- und Medienkompetenz über Inklusion bis hin zur Finanz­bildung. Sie fungiert als Sprach­rohr gegenüber der Kultus­ministerkonferenz, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und weiteren Institutionen.

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