KI-Nutzung in der Schule

„Der Anspruch auf individuelle Förder­ung kann mit KI endlich eingelöst werden“

Ja, KI ist eine Herausforderung. Und gleichzeitig eine Chance, weshalb Pavle Madzirov sie an seiner Schule ganzheitlich einsetzt. Die Tools entwickelt er selbst.

Die Hausaufgaben? Macht ChatGPT. Mehr und mehr Schülerinnen und Schüler lassen sich von KI unter die Arme greifen und werden dabei immer geschickter. Für viele Lehrkräfte ein wachsendes Problem. Doch ein generelles Verbot von KI in der Schule ist für Pavle Madzirov weder durch­setz­bar noch zielführend. Denn KI-Kompetenzen sind auf dem Arbeits­markt zunehmend gefragt. „Und warum sollten wir als Schule etwas verbieten, das für die Zukunft unserer Kinder entscheidend sein wird?“, fragt Pavle Madzirov, der Schulleiter der Sekundar­schule Am Biegerpark in Duisburg.

Er und sein Kollegium gehen daher den Weg mit der künstlichen Intelligenz: Sie betrachten KI als Bildungsaufgabe und nutzen die neuen Möglichkeiten zu­gleich für die eigenen täglichen Auf­gaben. Wie genau die ganzheitliche Nutzung im Alltag der Schule Am Biegerpark aussieht und welche Hürden es noch gibt – ein Überblick.

Wofür nutzen Lehrkräfte und Verwaltung KI?

Vornehmlich zur Unterrichts­vorbereitung. In der Verwaltung unterstützt KI etwa bei der Kommuni­kation, konkret bei der Formulierung von E-Mails und der Vorbereitung von Elternge­sprächen, aber auch bei der Erstellung von Konzepten und in der Schul­ent­wicklung. Dazu wurden etwa die anonymi­sier­ten Ergebnisse der Klassen­arbeiten der letzten Jahre mittels KI analysiert, erläutert Madzirov. „Unsere Aufgabe ist es nun, aus den interessanten Befunden Schulent­wicklungs­maß­nahmen abzuleiten.“

Einmal im Monat gibt es außerhalb der Unterrichts­zeit eine freiwillige Veranstaltung, bei der die neuesten KI-Tools vorgestellt werden. Im ver­gangenen Schuljahr hat das Kollegium auch damit begonnen, das Thema KI in die Lehrpläne aller Jahrgangs­stufen zu integrieren. In Geschichte etwa chatten die Jugendlichen mit historischen Persönlich­keiten, was komplexe Zusammenhänge greifbarer macht. In Philosophie setzen sie sich mit der ethischen Dimension von künstlicher Intelligenz auseinander. „Da es noch keine gesetzliche Grund­lage gibt, an der wir uns orientieren können, vollzieht sich diese Inte­gration suk­zessive und ist am Anfang natürlich etwas aufwendig“, sagt Madzirov. „Aber man merkt, dass das Thema die Schülerinnen und Schüler bewegt und wir insofern auf dem richtigen Weg sind.“

Der größte Vorteil von KI für Madzirov: Sie eröffne völlig neue Möglichkeiten des personalisierten Lernens, könne orientiert an den Interessen der Schülerinnen und Schüler quasi auf Knopf­druck individualisierte und motivierende Arbeits­materialien erstellen, so der Schulleiter. „Der Anspruch auf individuelle Förderung kann mit KI endlich eingelöst werden.“ Madzirov und seine Kolleginnen und Kollegen haben daher auf Basis von ChatGPT einen KI-Lern­buddy erstellt, mit dem die Kinder etwa Bruch­rechnen üben oder sich auf Prüfungen vor­bereiten können. Verwenden dürfen sie das Tool allerdings nur privat. Denn aus Daten­schutz­­gründen sind offene KI-Plattformen wie ChatGPT auf Schul- und Dienst­rechnern bislang tabu. In einem nächsten Schritt hat die Schule im Rahmen eines Pilotprojekts einen eigenen daten­schutz­konformen KI-Chatbot auf­gesetzt. Er basiert auf der französischen Plattform Mistral, die Server werden von der Schule selbst betrieben, nicht von einem Anbieter aus Übersee, wie Madzirov betont: „Unser lokaler Chatbot mag zwar nicht so leistungsfähig sein wie ChatGPT, bietet aber in jedem Fall einen guten und vor allem sicheren und rechts­konformen Einstieg in die KI.“

„Das A und O für die Akzeptanz von KI durch die Lehrkräfte ist absolute Freiwilligkeit“, sagt Schulleiter Madzirov. Ent­sprechend war auch die erste Fortbildung zu künstlicher Intelligenz nicht verpflichtend. Im Anschluss an die Fortbildung pro­bierten die Lehrerinnen und Lehrer selbst KI aus. Inzwischen setzt ein Großteil des Kollegiums täglich solche Tools ein.
Theoretisch können KI-Tools in der Sekundarschule Am Biegerpark in jedem Fach zum Einsatz kommen. Schülerinnen und Schüler dürfen der Lehr­kraft entsprechende Vorschläge machen, müssen aber gut be­gründen und darlegen, warum und wie konkret sie ein KI-Tool verwenden wollen. Diese Möglich­keit hat die Schule in ihren KI-Nutzungsbedingungen festgelegt, die von Lehrkräften, Eltern und Schülerinnen und Schülern gemeinschaftlich erarbeitet und einstimmig beschlossen wurden.

KI-generierte Texte als die eigenen auszu­geben ist natürlich verboten. Darüber hinaus hat sich die Schule bewusst wenige fixe Richtlinien gegeben. „Die Entwicklung im KI-Bereich ist so schnell, dass jede eng gefasste Regel morgen schon wieder überholt ist“, konstatiert Pavle Madzirov. Die Nutzungs­bedingungen werden daher kontinuierlich über­arbeitet und angepasst. „Bis es auf Länder­ebene eine klare Regelung zur KI-Nutzung gibt, muss das jede Schule selbst anpacken“, sagt Madzirov. Durch die Handlungs­empfehlungen der Kultus­minister­konferenz gebe es nun aber auch einen ersten Rahmen, an dem sich Schulen dabei orientieren können.

Wo es möglich sei, versuche man zwar bereits alternative Prüfungsformate miteinzu­beziehen, sagt Madzirov. „Aber wir sind ja an das gebunden, was Schulgesetz und Kern­lehr­pläne vorgeben. Und diese berück­sichtigen das Thema noch nicht in dem Maße, wie ich mir das wünschen würde.“ In Nordrhein-Westfalen setze die geplante Neuorganisation der gymnasialen Oberstufe hier erste gute Impulse. Angedacht sind etwa verbindliche Projekt­kurse und erweiterte Möglich­keiten, Klausuren durch andere Prüfungsformen wie Präsenta­tionen zu ersetzen. „Ich denke und hoffe, dass sich diese Ansätze in allen Schulformen und Bundesländern durch­setzen werden“, sagt Madzirov.

Viele Verwaltungsvorgänge wie Krankmeldungen und Vertretungs­­planung könnten Madzirov zufolge künftig durch KI automatisiert und das Personal so entlastet werden. Auch die neuen Möglichkeiten zur individuellen Förderung bieten große Chancen, ins­besondere für Schulen im Brennpunkt. Noch seien diese Chancen aber sehr ungleich verteilt, problemati­siert der Schulleiter: „Wenn ein Kind über das Elternhaus Zugang zu einem Bezahl-Tool hat, hat es deutlich mehr Vorteile als ein Kind, das auf die Basisversion beschränkt ist.“ Ein Problem, das auch die Kultusminister­konferenz adressiert. Man wolle „zeitnah eine länder­gemein­same Schnittstellen­lösung zum datenschutzkonformen und kostenfreien Zugang“ zu KI-Modellen im schulischen Bereich bereitstellen, heißt es in der Handlungsempfehlung des Gremiums aus dem Oktober 2024. Darüber hinaus visieren die Länder auch den Aufbau eines eigenen, speziell für pädago­gische Zwecke trainierten KI-Modells für Schulen an. Um alle Schulen – besonders jene im Brennpunkt – fit fürs KI-Zeitalter zu machen.

Foto: © Wübben Stiftung Bildung/Peter Gwiazda

Pavle Madzirov ist Schulleiter der Sekundar­schule Am Biegerpark in Duisburg. Seine Schule wurde 2024 vom Digital-Verband Bitkom als Leucht­turmschule für künstliche Intelligenz ausgezeichnet.

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