Vorläuferfähigkeiten

„Das Programm ist ein Meilenstein hin zu mehr Bildungs­gerechtigkeit“

Wie gelingt mit „FirstClass – erstklassig starten“ die Frühförderung an Ihrer Schule, Dominique Göbel? Und was hat das Programm mit Bildungschancen zu tun?

Frau Göbel, Ihre Schule nimmt am „FirstClass“-Programm teil. Was verbirgt sich dahinter?

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Dominique Göbel: „FirstClass – erstklassig starten“ ist ein Förderprogramm des Landes Rheinland-Pfalz, das im vergangenen Schuljahr an 30 Grund­schulen eingeführt wurde. Ab dem Schuljahr 2025/26 nehmen weitere 31 Schulen daran teil. Das Programm stärkt gezielt die Vorläuferfähigkeiten von Erstklässlerinnen und Erst­klässlern – also grundlegende sprachliche, mathe­ma­tische, feinmotorische und sozial-emotionale Kompe­tenzen. Mithilfe des Programms bereiten wir unsere jungen Schülerinnen und Schüler systema­tisch auf die Anforderungen der ersten Klasse vor.

Das Programm hilft uns an der Goethe-Grundschule sehr. Wir sind eine Start­chancen-Schule, und viele unserer Schülerinnen und Schüler brauchen besondere Unter­stützung. Unsere Schulgemeinschaft ist lebendig, bunt, vielfältig und vor allem herzlich. Hier trifft vieles auf­einander, was auf den ersten Blick als gegensätzlich wahr­genommen werden könnte: verschie­dene Kulturen, Religionen, Sprach­en und ja, auch unterschiedlichste Ausgangs- und Startpunkte in Bezug auf Bildung, moto­rische Fähigkeiten und soziale Integration. Individuelle Vorerfahrungen und Kompetenzen prägen bei uns also den Schulstart. Gleichzeitig legen wir sehr viel Wert auf bedürfnis­orientiertes Lernen. Darunter verstehen wir, dass wir die Bedarfe der Kinder erkennen und die För­derung entsprechend an­passen möchten. Genau darum geht es auch beim „FirstClass“-Programm.

„Individuelle Vorerfahrungen und Kompetenzen prägen bei uns den Schulstart. Gleichzeitig legen wir sehr viel Wert auf bedürfnis­orientiertes Lernen.“

Beschreiben Sie gern die Lerninhalte – und wie Sie sie in den Unterricht einbinden.

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Göbel: Die Inhalte sind methodisch vielfältig gestaltet: Spielerische Übungen zur Lauterkennung, Reim­wörter, Silbensegmentierung sowie Erzählanlässe und Übungen zum Hörverstehen sind feste Bestandteile der Unter­richtsein­heiten. Ergänzt wird das durch gezielte mathe­matische Übungen wie das Erkennen von Zahlen, das Vergleichen von Mengen, die Ori­entierung im Zahlenraum und einfache Rechenoperationen. Wir integrieren aber auch fein­motorische Aktivitäten wie Schneiden, Malen und das Nach­zeichnen von Formen. Und die Förde­rung sozial-emotionaler Kompetenzen erfolgt durch Rollen­spiele, Koopera­tionsaufgaben und gezielte Gespräche über Gefühle und Verhalten in der Gruppe. Für all das haben wir vom Land viele Materialien zur Verfügung gestellt bekommen.

Außerdem haben wir eine neue, zu den Programminhalten geschulte päda­gogische Kollegin, die an vier Tagen pro Woche für je drei Stunden in einer ersten Klasse tätig ist und eng mit den Lehrkräften zusammenarbeitet. Das Programm wird von der Erziehungs­wissenschaftlerin Prof. Dr. Anja Wildemann von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau begleitet.

Wie hängen Vorläuferfähigkeiten aus Ihrer Sicht mit Bildungsgerechtigkeit zusammen?

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Göbel: Bildung ist nicht nur der Schlüs­sel zum beruf­lichen Erfolg, sondern auch zu persönlicher Sicherheit und Resilienz. Sie ist der Kitt für eine Ge­sell­schaft im Gleichgewicht, die wider­standsfähiger, kreativer und besser in der Lage ist, zu blühen und zu wachsen. Auch kann sie Armut be­kämpfen und so soziale Ungleichheit verringern. Eine frühzeitige Förderung in verschiedenen Entwicklungsbereichen hat signifikante Auswirkungen auf den schulischen Erfolg. Kinder, die bereits vor Schulein­tritt über stabile sprach­liche, mathe­matische und feinmoto­rische Grund­lagen verfügen, haben es in den ersten Schuljahren deutlich leichter. Besonders für Kinder aus bildungsfernen Haus­halten oder mit einer anderen Familien­sprache ist gezieltes Training essen­ziell, um ihnen einen erfolgreichen Start ins Schulleben zu ermöglichen. Dank „FirstClass“ bewegen sich unsere Erstklässlerinnen und Erstklässler in einem sicheren Raum, in dem sie kleine Schritte machen dürfen. Genau diese kleinen Schritte führen zu großen Er­folgen. Wir sehen jeden Tag, wie unsere Schülerinnen und Schüler über sich hinaus­wachsen. Das Programm ist aus meiner Sicht ein Meilen­stein hin zu mehr Bildungsgerechtigkeit.
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Foto: © Dominique Göbel

Dominique Göbel war zwei Jahre lang Rektorin der Goethe-Grundschule in Mainz.

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