Unterrichtsentwicklung

Unverzichtbare Stütze

In 18 Thüringer Schulen werden die Lehrkräfte von sozialpädagogischen „Teamteachern“ begleitet. Wir stellen das kooperative Unterrichtskonzept vor.

Unterrichten im Team ist in deutschen Klassenzimmern noch keine Selbst­verständlichkeit. Dabei würden insbesondere Schulen in Brennpunkten mit ihren heterogenen Lerngruppen von einem Ausbau kooperativer Unterrichtskonzepte profitieren. Ein Argument gegen die Doppelbesetzung ist oft der Lehrkräftemangel. In Thüringen fand man dafür eine Lösung: Im Rahmen des Sozialpädagogischen Teamteachings kooperieren die Schulen mit der Kindersprachbrücke Jena e. V. Die dort angestellten Sozialpäda­goginnen und Sozial­pädagogen werden als sogenannte Teamteacherinnen und Teamteacher in Partnerschulen entsandt. Was macht das Konzept aus? Für welche Schulen eignet es sich? Und welche Vorteile ziehen Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte daraus? Alles Wichtige im Überblick. 

Was ist Sozialpädagogisches Teamteaching (STT)?

Anders als bei anderen Teamteaching-Konzepten, bei denen sich etwa zwei Fachlehrkräfte die Klassen­leitung teilen, besteht das Sozialpädagogische Teamteaching aus einer Lehrkraft und einer Sozial­pädagogin oder einem Sozial­pädagogen. Dabei arbeiten beide Professionen auf Augenhöhe und profitieren vom Sachverstand der anderen. Während die Lehr­kräfte je nach Unterrichtsfach über den Tag wechseln, begleitet die sozialpäda­gogische Fachkraft die Klasse den ganzen Schultag und wird damit zu einer wichtigen Konstante. „Die Team­teacherinnen und Teamteacher entwickeln Klassenregeln und Rituale und bringen eine ganzheitliche Perspektive auf die einzelnen Schülerinnen und Schüler ein“, erklärt Katrin Lipowski, Bereichsleiterin für das Teamteaching in der Kinder­sprachbrücke Jena. Das Tandem aus Klassenlehrkraft und Teamteacherin oder Teamteacher teilt sich die Verantwortung für die Klasse, was von den meisten als Entlastung empfunden werde, so Lipowski. Das sieht Teamteacherin Joan Thiry genauso. Die Sozialarbeiterin arbeitet seit viereinhalb Jahren an der Galileo-Schule Winzerla in Jena. In der Gemeinschaftsschule sei die kooperative Lehrmethode „ein fester und wertgeschätzter Bestandteil“.
Eine zusätzliche Kraft schafft Freiräume und bedeutet, dass die Kinder in jeder Stunde zwei Ansprechpersonen haben. Während sich die eine um den Unterricht kümmert, könne die andere sich auch mal länger einem Kind zuwenden und es motivieren. Neben der gezielten individuellen Unter­stützung biete Teamteaching oft erstmals die Chance, Lernformen jenseits des Frontalunterrichts auszu­probieren, berichtet Bildungs­forscherin Lipowski. Davon profitieren ins­besondere Schülerinnen und Schüler mit Lern- und Konzentrations­schwierigkeiten und Kinder mit noch fehlenden sprachlichen Ressourcen. Zentrale Ziele des Teamteachings seien außerdem, so Lipowski, dass eine Klassengemeinschaft entsteht, in der jedes Kind Lernerfolge erlebt und möglichst einen Schulab­schluss erreicht. 
Welche Schulen profitieren können, hängt in Thüringen auch mit der Finanzierung des Programms zusammen. Die Teamteacherinnen und Teamteacher der Kindersprach­brücke Jena etwa werden im Rahmen der ESF+ Schulförder­richtlinie Thüringen finanziert. Die Richtlinie legt fest, dass nur Schulen unter­stützt werden, die bestimmte Kriterien erfüllen. Dazu gehört unter anderem, dass sie sich in schwierigen Sozialräumen befinden und über­durch­schnittlich viele Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. Dies betrifft in erster Linie die Regel- und Gemein­schafts­schulen. Grundschulen können in Thüringen aufgrund dieser Kriterien nicht mit externen Team­teacherinnen und Teamteachern versorgt werden.
Bei der Suche nach guten Teams sei es laut Katrin Lipowski von der Kindersprach­brücke wichtig, dass sich auch das Kollegium für das Konzept begeistert und es nicht nur von der Schulleitung ange­ordnet wird. In diesen Schulen gebe es dann einen Besuch, bei dem das Konzept zunächst allen Pädagoginnen und Pädagogen vorgestellt wird. „Sobald die Schule ent­schieden hat, welche Klassen infrage kommen, trifft die Klassenleitung ihre mögliche Teamteaching-Partnerin oder ihren möglichen Teamteaching-Partner, und beide testen, ob die Chemie stimmt“, erklärt Lipowski. Außerdem haben die interessierten Klassen­leitungen vorab die Chance, mit einem erfahrenen Tandem zu sprechen, um heraus­zufinden, inwieweit das Konzept für sie sinnvoll erscheint. Denn die Teilnahme ist grundsätzlich freiwillig. 
Auch wenn die Zusammenarbeit in einem eingespielten Team von vielen als Entlastung gesehen wird, ist sie für manche Lehrkräfte zunächst ungewohnt. „Team­teaching erfordert mehr Absprachen und daher oft auch mehr Zeit in der Vor- und Nach­bereitung des Unter­richts“, findet Teamteacherin Joan Thiry. Den ganzen Tag unter den Augen einer Co-Teacherin oder eines Co-Teachers zu unterrichten sei für viele Lehrkräfte ebenfalls eine neue Erfahrung, so Lipowski. Teamteaching könne nur funktionieren, wenn beide Tandem­partnerinnen oder -partner kritikfähig seien und die Rückmeldungen der Partnerin oder des Partners als Bereicherung sehen. Dabei spielen gerade die unter­schiedlichen professionellen Perspektiven eine große Rolle. „Während die Lehrkraft vielleicht mehr auf die Leistung der Schülerinnen und Schüler schaut, fällt der Sozialpädagogin vielleicht eher auf, dass sich ein Kind bei­spielsweise getraut hat, das erste Mal etwas laut vor der Klasse zu sagen“, führt Lipowski als Beispiel an. Gerade zu Beginn der Zusammenarbeit werden die Teams eng begleitet. So be­komme jede Teamteacherin und jeder Teamteacher eine erfahrene Mentorin oder einen Mentor zur Seite gestellt, berichtet Lipowski. Außerdem finden regelmäßig Fort­bildungen statt, etwa zu den Themen Kindeswohl, Class­room Management und Deeskalation. 

4 Tipps: Wie Sozialpädagogisches Teamteaching zum Erfolg wird

Als wichtigste Voraussetzungen für ein Gelingen des Zwei-Pädagoginnen-Systems nennt Katrin Lipowski vier Faktoren:

01

Klare Ziele: Wichtig ist, die Rollen von Teamteacherin oder Teamteacher und Lehrkraft zu benennen und zu Beginn des Schuljahrs Ziele fest­zulegen. Nur wenn klar ist, wie sich die Klasse entwickeln soll, kann auf dem Weg dorthin nachgesteuert werden. Diese Ziele erarbeiten Lehrkräfte und Team­teacherinnen oder Teamteacher gemeinsam. 

02

Offenheit der Lehrkräfte: Es braucht eine Bereitschaft, im Teamteaching neue Lehrmethoden und Differenz­ierungsoptionen zu nutzen. Das gilt im Schulalltag nicht nur für die Klassen­lehrkraft, sondern für alle Fachlehrer­innen und Fachlehrer, die in der betreffenden Klasse unterrichten. 

03

Zeit: Die Schulleitung muss bereit sein, zeitlichen Freiraum für das Modell zu schaffen. Sozialpädagogisches Team­teaching erfordert gerade zu Beginn mehr Zeit für Absprachen, Planung, Evaluierung und Fortbildung. 

04

Agieren auf Augenhöhe: Beide Professionen müssen bereit sein, die Expertise der anderen als Bereicher­ung zu verstehen und voneinander zu lernen. Im Sozialpädagogischen Team­teaching sind die Vermittlung von Unterrichtsinhalten und soziales Lernen ebenbürtig. 

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