„Über 90 Prozent der Kinder an unserer Schule haben einen Migrationshintergrund, mehr als 80 Prozent der Familien leben von staatlichen Transferleistungen. Aufgrund von Sprachbarrieren, Vorbehalten und Überforderung aufseiten der Eltern ist die Zusammenarbeit mit ihnen auf verschiedenen Ebenen herausfordernd. Doch wir meistern das bestmöglich: So ist es uns beispielsweise gelungen, dass über 90 Prozent der Eltern die KIKS-App installiert haben. Dank ihr können wir in verschiedenen Sprachen mit den Eltern kommunizieren. Außerdem sind wir seit viereinhalb Jahren ein Familiengrundschulzentrum. Mit dem Vorteil, dass wir den Eltern und Familien verschiedene niedrigschwellige Angebote machen können, wie etwa unser Frauenfrühstück. Anfang des Jahres hatten diese Frauen dann die Idee, die Mütter der ersten Klassen zu einem gemeinsamen Ausflug einzuladen. Die Resonanz war großartig! So ist eine gute Vertrauensbasis entstanden.
Bei allen Erfolgen in der Elternarbeit müssen sich drei Dinge unbedingt noch ändern:
1. Anerkennung des Zeitaufwand:
Die Elternarbeit nimmt einen erheblichen Teil unserer Zeit in Anspruch. Wenn zum Beispiel bei Elterngesprächen Dolmetscherinnen und Dolmetscher dabei sind, verdoppelt sich die Gesprächszeit. Auch die fundierte Beratung zu den vielfach notwendigen Unterstützungsbedarfen oder zur Entwicklung toller Potenziale braucht enorm viel Zeit, vor allem, wenn die Eltern sich im Bildungs- und Hilfesystem nicht auskennen. Wie in der Sekundarstufe II brauchen deshalb auch Klassenleitungen an Grundschulen Entlastungsstunden. So hätten wir mehr Zeit für andere Dinge wie eine solide Elternarbeit. Alle Fäden zu jedem Kind laufen bei den Klassenleitungen zusammen. Sie managen neben dem Unterricht und der Klassenorga alle individuell verschiedenen ‚Fälle‘: eine Mammutaufgabe!
2. Gebundener Ganztag:
Eltern und Kindern würde es entgegenkommen, wenn unsere Schule einen gebundenen Ganztag hätte, alle Kinder also den Ganztag besuchen würden. Dann hätten wir viel mehr Zeit, die Mädchen und Jungen professionell zu fördern und weitere Angebote für die Eltern zu machen.
3. Diagnostik und Therapie in die Schule holen:
Die Kinder werden mit unterschiedlichen Förderbedarfen und zum Teil mit traumatischen Erfahrungen eingeschult. Die Eltern sind damit oft überfordert. Für Diagnostik und Therapieangebote gibt es aber lange Wartezeiten, teilweise über ein Jahr. Oder die Wartelisten sind voll oder die Wege sehr weit. Hier würden wir uns wünschen, mehr solcher Angebote unkompliziert vor Ort in der Schule anbieten zu können.“

Christiane Hartmann leitet seit 20 Jahren die James-Krüss-Grundschule in Köln.
Umfrage „Schule im Brennpunkt 2025“
Mit welchen Herausforderungen haben Schulen, die in sozialen Brennpunkten liegen, zu kämpfen, und was ist das Spezifische an ihnen? Antworten darauf liefert die Befragung „Schule im Brennpunkt 2025“, die das Ziel hat, die Situation an Schulen im Brennpunkt systematisch sowie länder- und schulstufenübergreifend zu erfassen. Die Ergebnisse basieren auf den Einschätzungen von insgesamt 226 Schulleitungen aus Grundschulen und weiterführenden Schulen in vier deutschen Bundesländern. Durchgeführt wurde die Befragung vom impaktlab, der wissenschaftlichen Einheit der Wübben Stiftung Bildung.
In der Serie „Schule im Brennpunkt 2025” geben fünf Schulleitungen ihre Einschätzungen zu den folgenden zentralen Bereichen der Umfrage: Lernvoraussetzungen, Arbeitsbelastung, Lehrpläne und Lehrwerke, Elternarbeit und Startchancen-Programm.
Zu den Beiträgen der Serie „Schule im Brennpunkt 2025“:
Umfrage
„Schule im Brennpunkt 2025“: Wo die Herausforderungen am größten sind
Serie „Schule im Brennpunkt 2025“
„Wir brauchen eine Reform des Unterrichts“
Serie „Schule im Brennpunkt 2025“
„Starke Beziehungsarbeit ist zentral für Lernerfolge“
Serie „Schule im Brennpunkt 2025“
„Viel zu weit weg von der Lebenswelt der Mädchen und Jungen“
Serie „Schule im Brennpunkt 2025“
„Auch Klassenleitungen an Grundschulen brauchen Entlastungsstunden“
Serie „Schule im Brennpunkt 2025“